Resilienz von Unternehmen
Corporate Resilience – Mehr als nur Krisenmanagement
Fachkräftemangel, gestörte Lieferketten, knappe Rohstoffe, … – die Wirtschaft befindet sich im Krisenmodus. Erst jetzt dringt die Bedeutsamkeit der Resilienz von Unternehmen ins Bewusstsein.
Über Jahre und Jahrzehnte war die Richtung klar: Wir müssen effizient sein, also mit möglichst geringem Einsatz Ziele erreichen. Und wir müssen effektiv sein, also die richtigen Ziele erreichen und die richtigen Strategien verfolgen.
Und nun? Warum gerieten wir in die derzeitige Situation?
Regeln und Zusammenhänge, die lange Zeit galten, gelten plötzlich nicht mehr. Diese haben zu einseitigen Abhängigkeiten und einseitigen Vorgehensweisen geführt. Der Corporate Resilience wurde zu wenig Beachtung geschenkt.
Resilienz – die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen
Resilienz ist mehr als nur Krisenmanagement. Das KonTraG verlangt von Unternehmen ein Risiko-Managementsystem, um auf existenzbedrohliche Krisen vorbereitet zu sein.
Jede Organisation ist abhängig von ihrem Umfeld, jede Organisation muss mit Änderungen umgehen können und jede Organisation ist mit Umbrüchen konfrontiert. Umbrüche kommen nicht aus dem Nichts. Sie entwickeln sich langsam, werden aber relativ plötzlich akut. Organisationen, die sich als Teil Ihrer Umwelt verstehen, verstehen auch, dass jede Einseitigkeit den Verlust von Stabilität bedeutet.
Klingt theoretisch, was bedeutet das jetzt praktisch? Es folgen 2 Beispiele, in welchem Zusammenhang die Resilienz von Unternehmen bei Entscheidungen vernachlässigt worden ist:
Beispiel 1: Das Versäumnis der adäquaten Ausbildung
Der demographische Wandel ist nicht vom Himmel gefallen, er hat sich über Jahrzehnte aufgebaut. Dass die starken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, war vorhersehbar. Auch, dass damit mehr Fachkräfte aus dem Arbeitsleben ausscheiden, als in die Arbeitswelt eintreten, ist eigentlich eine Banalität.
Nur: Die langfristige Vorbereitung auf das Umgehen mit dieser Situation war – sehr vorsichtig ausgedrückt – nicht optimal.
Das Image der Ausbildungsberufe, der dualen Ausbildung, ist nicht erst in den letzten Jahren erodiert. Und jetzt haben wir die Situation, dass von 2020 bis 2035 die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter um 8,5 Millionen Menschen in Deutschland sinken wird. Die Zahl der Menschen in dualer Ausbildung sank im Zeitraum von vor bis nach Corona um über 10 %. Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Woran liegt das? Das Image der Berufsausbildung wurde über die letzten Jahrzehnte ramponiert. Dagegengehalten wird erst heute.
Es braucht aber mehr als Werbekampagnen, um das Image der Berufsausbildung wieder herzustellen
- Es braucht eine Verbesserung der Ausbildung auf das aktuelle Niveau im Jahr 2023
- Es braucht eine aktuelle und zeitgemäße Ausstattung der Berufsschulen
- Und es braucht Berufsbilder für die Zukunft, nicht die aus der Vergangenheit.
Beispiel 2: Das Versäumnis breiterer Lieferketten
Die aktuellen Probleme unserer Lieferketten gehen auf den Glauben zurück, dass die Belieferung weltweit ohne größere Störungen immer und jederzeit gewährleistet ist. Oder Produktionsstandorte, die verlagert wurden, ebenfalls im Glauben, dass die Produktions– und Liefersicherheit dieser Standorte jederzeit und immer gewährleistet sind. Alternativen wurden nahezu nicht aufgebaut. Dies geschieht erst jetzt, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, als Reaktion.
Alternative Lösungen und eine breitere Aufstellung der Lieferketten wurden versäumt, es wurden „alle Eier in ein Nest“ gelegt. Die Widerstandskraft gegenüber Versorgungsproblemen, also deren Resilienz, hatte keine oder nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Die Folgen sind derzeit sichtbar und können sich noch ausweiten.
Dies sind nur zwei Beispiele, die die Bedeutsamkeit der Resilienz von Unternehmen veranschaulichen und wie diese vernachlässigt wurden.
Resilienz Management – Lesen Sie mehr zum Aufbau eines Risiko-Management-Systems.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Prof. Dr. Herbert Einsiedler
1 Comment
Sie sprechen mir aus der Seele. Wie Sie sagen, das Thema war lange bekannt und ab zu sehen. Aber solange es gesellschaftlich immer noch verankert ist, dass ein Studium besser als eine Ausbildung ist, wird das schwierig. Chancengleichheit, obgleich es diese nur auf dem Papier gibt, ist wunderbar. Aber nicht jeder hat das Zeug für ein guten Hochschulabschluss. Muss ja auch nicht. Zudem ist unser derzeitiges Schulsystem eine Katastrophe. Seit Jahren werden Abschlüsse und Prüfungen dem schlechten schulischen Niveau angepasst. Im Handwerk hat man es versäumt, sich gegenüber der Hochschulausbildung attraktiv zu machen. Schlechte Ausbildungsbedingungen in den Betrieben, mangelnde Förderung und fehlende Perspektiven machen handwerkliche Ausbildung unattraktiv. Wie bei vielen Veränderungen, muss erst der Katastrophenfall eintreten, bis sich wirklich etwas ändert.
Das finde ich frustrierend.
Torsten Pahlke