Bewerbungsschreiben
Ist das klassische Bewerbungsschreiben heutzutage noch zeitgemäß?
Bewerbungsschreiben – Ja oder Nein?
Eine Umfrage unter 1058 Bewerbenden (*) kommt zu einem interessanten Ergebnis: 37 % der Befragten fällt es schwer, ein Bewerbungsschreiben zu verfassen. Mehrheitlich sagen das junge Bewerbende, aber auch 43 % in der Altersgruppe der 30 – 39Jährigen.
Derzeit wird der Mangel an Fachkräften immer präsenter. Der Arbeitsmarkt ist zu einem Bewerbermarkt geworden. Unternehmen können es sich nicht erlauben, Bewerbungshürden für geeignete potenzielle neue Beschäftigte aufzubauen. Gerade für jüngere Generationen scheint somit die Forderung nach einem Bewerbungsschreiben eine Bewerbungshürde darzustellen.
Soll von Seiten der Unternehmen auf diesen Widerstand eingegangen werden? Hierzu ist eine Berücksichtigung der derzeitigen Bewerbungspraxis hilfreich. Bewerbungsschreiben entstehen zu einem großen Teil im Copy-Paste-Verfahren. Ein einmal erstellter Text wird einfach für jede Bewerbung kopiert, meist dürftig angepasst und abgesandt. Auch bei elektronischen Bewerbungsverfahren gehen viele Bewerbende genau auf diese Art und Weise vor. Das individuell auf jede Bewerbung zugeschnittene, durchdachte Bewerbungsschreiben wird zunehmend seltener. Der Erkenntnisgewinn für die Unternehmen aus Bewerbungsschreiben ist damit deutlich reduziert. Oft lesen die Einstellungsverantwortlichen nur den Text der Vorstellung des Unternehmens auf ihrer Webseite oder den Text der Stellenausschreibung, mehr oder weniger abgewandelt.
Kann man daher darauf als Bewerbungsstandard verzichten?
Wie bei vielen Fragen gilt auch hier die Antwort: Es kommt darauf an!
Bei Stellen, die standardisiert ausgeschrieben werden, erhalten die Unternehmen überwiegend standardisierte Bewerbungsschreiben ohne individuellen Inhalt. Hier kann der Verzicht auf ein Bewerbungsschreiben zu mehr, auch geeigneten Bewerbungen führen. Stimmen die sonstigen Unterlagen, können hier durchaus geeignete Kandidierende identifiziert werden. Ein „Allerwelts-Bewerbungsschreiben“ hilft hier wenig. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die nicht sofort als „Top-Arbeitgeber“ eine Vielzahl von Bewerbungen erhalten. Der Wegfall der Eingangshürde „Bewerbungsschreiben“ kann insbesondere bei Berufseinsteigern helfen. Nichtsdestotrotz ist das Vorhandensein eines qualifizierten Bewerbungsschreibens ein Indiz, das bei der Personalauswahl mitberücksichtigt werden sollte.
Anders sieht es bei qualifizierten Positionen für Bewerbende mit Berufserfahrung aus. Hier ist das Bewerbungsschreiben eine erste „Arbeitsprobe“. Wer dies auf qualifizierte Positionen nicht erstellen kann oder nicht erstellen will, hat entweder die ausgeschriebene Position nicht verstanden oder er hat kein echtes Interesse an Arbeitgeber und Bewerbung.
Resultierende Erkenntnis für Arbeitgeber
Eines sollten aber Arbeitgeber hier mitnehmen: Auch auf ihrer Seite ist mehr individuelle Information für ausgeschriebene Positionen als Copy-Paste auf dem Arbeitsmarkt erforderlich. Einfach kopierte, immer gleiche wenig aussagefähige Texte führen nicht dazu, dass potenzielle neue Mitarbeitende angezogen werden.
Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Die Strategie der Unternehmen bei der Personalgewinnung hat sich diesem Wandel anzupassen, will sie weiter erfolgreich sein.
(*)Respondi, November 2021
Umfrage bundesweit, 1.058 Bewerbende, 51 % männlich, 49 % weiblich. 81 % in Vollzeitbeschäftigung, 19 % in Teilzeit.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Prof. Dr. Herbert Einsiedler