Fluktuation in Unternehmen
1/3 auf dem Sprung?
Aktuelle Erkenntnisse zur Wechselbereitschaft und Fluktuation in Unternehmen
Die Deutschen sind offen für einen Job-Wechsel, klagen aber weniger über ihren bisherigen Arbeitgeber. Zu dem Ergebnis kommt der Jobwechsel-Kompass der Königsteiner Gruppe. 1/3 der Beschäftigten sind offen für einen Jobwechsel – die Fluktuation in Unternehmen steigt.
Forsa stellte bereits im Januar 2022 eine Wechselbereitschaft bei 37 % fest, 12 %-Punkte mehr als im Vorjahr. In der Altersgruppe der 30 – 39jährigen liegt diese sogar bei um die 50 %.
In der Forsa-Studie geben ¼ der Befragten als Grund für die Wechselbereitschaft das Führungsverhalten an. Auch die Unzufriedenheit mit der Work-Life-Balance ist ein wichtiger Grund für die Offenheit für einen Wechsel.
Noch höher als in Deutschland ist die Wechselbereitschaft in Österreich. Hier gaben 46 % an, offen für einen neuen Job zu sein. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Umfrage “Work Reimagined 2022” der Wirtschaftsprüfung EY. Bei der Befragung in 22 Ländern gaben 43 % an, innerhalb der nächsten 12 Monate kündigen zu wollen. Bei 1/3 der Wechselwilligen ist der Grund das Geld. Sie streben eine höhere Vergütung an. Bei ¼ ist der Wechselwunsch ein Ausdruck des Wunsches zu höherer Qualifikation. In der Vorherigen Umfrage war der Wunsch nach Flexibilität der Hauptgrund für eine Wechselabsicht. Durch die Flexibilisierungsmaßnahmen in der Pandemie rutschte diese Motivation auf Rang 2 und wurde vom Wunsch nach mehr Geld abgelöst.
Gemäß einer Umfrage des auf den Mittelstand fokussierten Befragungsunternehmens Personio planen 6 von 10 aller 18- bis 34-Jährigen in Deutschland einen Jobwechsel binnen 12 Monaten; nach Gallup bestehen bei 42 % Wechselpläne binnen 3 Jahren.
Diese Befunde sind für den Mitarbeiterbestand der Unternehmen eine erhebliche Herausforderung. Zu dieser kommt aber noch ein weiterer Aspekt:
Fast 13 Millionen Erwerbspersonen erreichen bis 2036 das Rentenalter, das sind knapp 30 %.
Dieser Verlust an erfahrenen Erwerbstätigen wird sich negativ auf den Fachkräftemangel auswirken.
Fluktuation – Chance oder Bedrohung?
Diese Entwicklung ist für Unternehmen Bedrohung und Chance zugleich. Fluktuation führt zu Verlust von Beschäftigten beim alten Arbeitgeber, aber sie birgt auch große Chancen für Arbeitgeber auf der Suche nach neuen Beschäftigten. Die Veränderung im Arbeitsmarkt ist ein großes Rad. Es ist eine Bedrohung für diejenigen, die mit ihm nicht umgehen können; es ist eine Chance für diejenigen, die dies zu nutzen wissen.
Am Markt werden die Unternehmen weitaus bessere Chancen haben, die es schaffen, die erforderlichen Menschen „an Bord“ zu bringen. Wer zu wenige oder nur unzureichend qualifizierte Fachkräfte in seiner Mannschaft hat, ist im Wettbewerb im Nachteil.
Sicherlich lässt sich einiges durch Automatisierung und Digitalisierung ausgleichen, aber auch hierfür sind die entsprechenden Fachkräfte erforderlich.
Human Ressource Management wird daher in den kommenden Jahren bzw. Jahrzehnten stark an Bedeutung für den Unternehmenserfolg gewinnen.
Auf welche Faktoren kommt es nun an?
Geld allein macht nicht glücklich, aber es ist gut, welches zu haben. Eine angemessene Vergütung stellt eine Basis für die Personalbindung und Personalgewinnung dar.
Aber dies ist die Basis, diese allein führt noch nicht zum Erfolg.
Zwei wichtige Faktoren im Zusammenleben von Menschen sind zukünftig weitaus stärker zu gewichten: Die Führungsfähigkeit und die Teamfähigkeit.
Führungskräfte haben hier eine herausragende Rolle, aber nicht nur sie. Probleme mit den Chefs führt weniger zu Fluktuation als Probleme mit den Kollegen. Auf ein gutes Betriebsklima kommt es verstärkt an – und dies zu entwickeln und zu pflegen ist eine Managementaufgabe.
In Zeiten von Homeoffice und dezentraler Arbeit sind neue Verhaltensweisen erforderlich. Mit den bisherigen Instrumenten des Vor-Ort-Arbeitslebens ist diese Herausforderung allein nicht zu meistern. Ein vernünftiges, ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben wird weiterhin von Bedeutung sein. Work-Life-Balance ist damit ein weiterhin bedeutendes Element der Personalpolitik. Dies auch in Zeiten von Home-Office und hybriden Arbeitsformen.
Ausblick – Arbeitswelt im Wandel
Fachkräfte fallen nicht vom Himmel, diese müssen ausgebildet und entwickelt werden. Derzeit besteht eine unterschiedliche Wertschätzung zwischen unterschiedlichen Berufen – zwischen akademischen und nicht-akademischen Ausbildungen. Wird dieser Unterschied nicht eingeebnet, wird es zu einer Verstärkung der Schieflage zwischen den Qualifikationen kommen. Lösung kann nur eine gleiche Wertschätzung, beruflich und gesellschaftlich, und gleicht – auch materielle – Anerkennung unterschiedlicher Ausbildungsgänge sein. Wird diese Schieflage nicht schleunigst beseitigt, wird sich die Arbeitskräfte-Lücke im handwerklich-technischen Bereich weiter auftun. Es ist nicht 5 vor, sondern 5 nach 12. Die Wirtschaft wird daher ihre Ausbildungsaktivitäten massiv verstärken müssen.
Nichts ist so beständig wie der Wandel – und durch die Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt wird sich dieser Wandel noch beschleunigen.
Es gibt sicherlich viele, die dies als Bedrohung erleben und bedauern. Dieser Wandel bietet aber auch die Chance zu Neuem und zur Entwicklung neuer Wettbewerbsvorteile.
Man muss sich dieser Entwicklung nur rechtzeitig stellen. Denn: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Prof. Dr. Herbert Einsiedler